Nachruf auf Norbert Kreisel † 13.12.2024

Mit Norbert Kreisel haben wir einen passionierten Jäger, einen enthusiastischen Anwalt des Wildes, insbesondere des Rotwildes und einen leidenschaftlichen Verfechter der Werte der Jagdkultur verloren!

Norbert Kreisel † 13.12.2024, Foto: privat
Norbert Kreisel † 13.12.2024, Foto: privat

Im Namen der Rot- und Muffelwildhegegemeinschaft Hinterlandswald und im Namen der Jagdvereins Rheingau nehme ich Abschied von meinem Jagdfreund Norbert und möchte an einige wichtige Wegmarken seines jagdlichen Wirkens erinnern.

Das jagdliche Gen hat er von seinem Vater geerbt, der sich als Jagdberater in Wiesbaden auch für seine Kollegen in der jagdlichen Verwaltung engagierte.

Norbert selbst war zunächst jagdlich sehr aktiv in einigen Revieren des Untertaunus unterwegs. In den 1990er Jahren konnte er sich seinen Traum von der Pacht eines eigenen Rotwildreviers erfüllen und er übernahm das Revier Glaskopf-Weltersgraben im Hinterlandswald, das er bis zuletzt über mehr als 3 Jahrzehnten betreute.

Seine Passion führte ihn darüber hinaus auf Jagdreisen nach Österreich, Bulgarien, Russland, Kasachstan, Jugoslawien und lange Jahre auch nach Ungarn. Dort erhielt er von ungarischen Freunden ein Buch über den Urwald von Bialowieza Puzta in Weißrussland, das sein weiteres jagdliches Leben wesentlich prägen sollte. Es folgten jährliche Besuche, Hirsch- und Saujagden mit seinen Freunden in berühmten weißrussischen Revieren. Bei einem Treffen mit einem weißrussischen Minister fragte dieser, ob Norbert krank sei mit Jagd. Norberts Antwort lautete: Nein, er sei sehr krank mit Jagd!

Neben seinen jagdlichen Erlebnissen wurde er dort aber auch mit den Lebensumständen von Menschen konfrontiert, die vom Schicksal nicht verwöhnt waren. Dies öffnete sein soziales Herz für die großzügige jährliche finanzielle Unterstützung eines Waisenhauses, eines SOS-Kinderdorfs. Nur zwei Tage nach seinem Tod beging das SOS-Kinderdorf sein 30- jähriges Bestehen. Das hätte er gewiss noch gerne erlebt.

Über dieses Engagement hinaus unterstützte er aber auch in Zusammenarbeit mit dem damaligen Landrat Klaus Frietsch weißrussische Krankenhäuser durch die Beschaffung von modernen medizinischen Geräten.

Und auch das war ihm noch nicht genug: Die weißrussische Nationalparkverwaltung in Bialowieza konnte durch seine Hilfe die Erforschung der Erkrankung von Wisent-Stieren im Nationalpark vorantreiben, was ohne seine Unterstützung nicht möglich gewesen wäre.

Aber auch zuhause, in seinem Revier, im Rheingau und in der Rot- und Muffelwild-Hegegemeinschaft Hinterlandswald war sein Engagement und seine Hilfsbereitschaft deutlich zu spüren:

In seinem Revier schuf und verbesserte er die Lebensräume für das Wild durch die Anlage und Pflege von wildbiologisch wichtigen Äsungs- und Biotopflächen. Diese Arbeit brachte ihm eine große Ehrung ein, auf die er zu Recht sehr stolz gewesen ist: Im Jahr 1998 wurde er dafür von Staatsminister Böckel mit dem Ehrenpreis des Landes Hessen ausgezeichnet.

Im Vorstand der Rotwild- und Muffelwildhegegemeinschaft HLW war er über viele Jahre als Beisitzer für den Rheingau sowie als stellvertretender Sachkundiger und Gutachter tätig.

Wann immer Not am Mann war, wann immer die Mittel für wichtige Projekte nicht ausreichten: Norbert war zur Stelle und half! Diese einmalige Großzügigkeit zeigte sich z.B. in der Unterstützung der Bläsergruppe des JV Rheingau, seinen Spenden für die Durchführung der Hubertusmessen in Kloster Eberbach, die ohne seine Unterstützung nicht hätten stattfinden können sowie auch in den über Jahren gespendeten Preisen für die Tombola des Jagdvereins, in Form von Jagdreisen nach Weißrussland.

Sein großes Herz stellte er aber auch unter Beweis, indem er Freunde und verdienstvolle Jäger, die nicht mit üppigen Jagdmöglichkeiten gesegnet waren, zu sich ins Revier und ins Ausland eingeladen hat. Norbert kannte keinen Jagdneid. Er freute sich am Jagderfolg seiner Gäste genauso, als wenn es sein eigener gewesen wäre. Die einzige Bedingung, die er an seine Jagdgäste stellte, war, dass die Jagderfolge nach den Regeln der jagdlichen Tradition gebührend gefeiert werden mussten.

Der gesellschaftliche Teil war für ihn integraler Bestandteil der Jagd. Die gemeinsame Freude am jagdlichen Handwerk und deren Erfolgen fanden in gesellschaftlicher Runde ihren würdigen Abschluss. Da gab es für Norbert nichts zu diskutieren. Selbst einem guten Geschäftsfreund sagte er, wenn er nicht zum Schüsseltreiben komme, brauche er auch nicht an der Jagd teilzunehmen. Schwänzen des Schüsseltreibens war für ihn nicht verhandelbar.

Alles dies war ihm wichtig, aber im Zentrum seines jagdlichen Tuns stand das Wohlergehen des ihm anvertrauten Wildes.

So geißelte er jagdliche Untugenden, die zwar mit neuen Technologien möglich wurden, die aber nicht mit seinen Werten in Übereinstimmung zu bringen waren.

Die Jagd nach den Erfordernissen der wildbiologischen Erkenntnisse, z. B. die Notwendigkeit winterlicher Ruhephasen, aber auch der respektvolle Umgang mit dem Wild und nicht zuletzt der waidgerechte Schuss auf das Wild waren für ihn der Maßstab seines eigenen Handelns und der Erwartungen an seine jagdlichen Freunde und Kollegen. Bei Verletzungen dieser Regeln konnte Norbert auch emotional werden und Betroffene mussten sich klare Zurechtweisungen anhören. In ähnlich deutlicher Form hat er sich gegen manche behördlichen Vorgaben gewendet, die seinen Werten und Vorstellungen widersprachen, weil sie die Achtung vor dem Wild vermissen ließen.  

Große Freude bereitete ihm, dass er diese Werte, zusammen mit seiner jagdlichen Passion an die nächsten Generationen weitergeben konnte. Die „Kreisel´sche Jagdfolge“ umfasst nun schon vier Generationen. Er war sehr stolz darauf, dass nach seinem Vater Helmut und ihm, nun auch sein Sohn Peter und jetzt auch noch sein Enkel Julius Jäger geworden sind und in seinem Sinne die jagdliche Tradition der Kreisels fortführen.

Wir alle können uns glücklich schätzen, dass wir Norbert gekannt haben und seine Freundschaft und seine Großzügigkeit genießen durften.

Lieber Norbert, wir werden Dir ein ehrendes Andenken bewahren! Diese schon zur Plattitüde verkommene Floskel hat bei Dir aber wirklich Bestand, denn Deine Einzigartigkeit als Jäger, als Gönner und Wohltäter, als standhafter Vertreter Deiner Überzeugungen, und, wie Du Dich selbst bezeichnet hast, als „einzige querstehende Kuh im Stall“ werden uns wahrlich unvergesslich bleiben.

Ruhe in Frieden lieber Norbert!

Prof. Dr. Ulrich Grimm

Vorsitzender der Rot- und Muffelwild-Hegegemeinschaft Hinterlandswald